
Emil-Fuchs-Straße 1:
Sitz des ZHS
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Bereich: Forschung, Studium und Lehre
Sachgebiet: fachübergreifend
Einübung in Grenzüberschreitung - Forschung und Lehre unter einem Dach - das Zentrum für Höhere Studien
Interdisziplinäre
und internationale Zusammenarbeit gehören nicht allein am Zentrum für
Höhere Studien (ZHS) der Universität Leipzig, sondern auch in anderen
''Denkschmieden'' Deutschlands zur Grundausstattung. Doch während sich
das Wissenschaftskolleg Berlin oder das Zentrum für Interdisziplinäre
Forschung Bielefeld oder das Max-Weber-Kolleg Erfurt auf die Forschung
stützen, baut die Leipziger Institution zugleich auf die Lehre.
Promotionsstudien-gang und Graduiertenkollegs zählen zum festen
Inventar.
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Ach
ja, es hat sich wenig geändert: Schon als 1914 die
König-Friedrich-August-Stiftung ins Leben gerufen wurde, musste sich
die Leipziger Universität der Tatsache beugen, dass im sächsischen
Portefeuille nicht allzu viel Geld für die Wissenschaft steckte. Doch
wo es am nötigen Kleingeld für den Aufbau einer Institution mangelte,
stand noch immer ein ''Sonderweg'' offen. Ergo kam Leipzig auf die
Idee, in der Stiftung zukunftsprägende Forschung und zukunftstragende
Lehre unter einem Dach zu vereinen - jenseits der Fakultäten; und dabei
ein Feld zu beackern, auf dem mit wenig Geld viel auszurichten ist, das
der geistigen Wissenschaften.
Auch heute hat die Idee nichts von ihrem Reiz und ihrer Kraft
eingebüßt: Jährlich wird das Zentrum für Höhere Studien durch die
Universität mit einem Etat von unter 100.000 Euro ausgestattet, der
liefert die Basis für die Einwerbung vor allem von Drittmitteln und von
Förderungen - in der Summe ergaben sich für 2000 und 2001 circa 1,2
Millionen Euro; für 2002 waren es 800.000 Euro. Damit finanziert das
ZHS nicht allein seine tragenden fünf Säulen - das
Naturwissenschaftlich-Technische, das Frankreich- sowie das Geistes-
und Sozialwissenschaftliche Zentrum, das Zentrum für
Kognitionswissenschaften und das neu entstandene Zentrum für Prävention
und Rehabilitation; es unterhält zugleich einen Promotionsstudiengang
und drei Graduiertenkollegs; besetzt zwei Mal jährlich die
Leibniz-Professur mit einem international renommierten Gast und
publiziert drei Zeitschriften sowie fünf Buchreihen. 1994 gegründet,
hat sich das Zentrum für Höhere Studien zum Angelpunkt für
interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit in Lehre und
Forschung und zum Ausgangspunkt für Diskurse um die Verfasstheit der
modernen Universität entwickelt. Mit der alljährlichen
Sommeruniversität, internationalen Vereinbarungen und neuen
Studiengängen dringt das ZHS in eher unkonventionelle akademische
Marktfelder vor.
Das Geheimnis, mit kleinem Budget recht große Sprünge zu vollbringen,
ist rasch enthüllt. Die Institution lebt von ihrer geistigen
Attraktivität und Ausstrahlung - und die Anerkennung drückt sich nicht
zuletzt in der Bewilligung von Drittmitteln aus. Abgesehen von sieben
Stellen für wissenschaftliche Geschäftsführung und Koordination stützt
sich das ZHS auf ''auswärtige'' Mitarbeiter. Die sind entweder in den
Fakultäten und An-Instituten der Universität Leipzig verwurzelt oder
aber an Akademien des In- und Auslandes zu Hause, agieren lang- und
mittelfristig in den Teilzentren und Projektgruppen oder für kürzere
Zeit als Gastprofessoren und -dozenten. Alle nutzen sie das ZHS als
Plattform zum Forschen und Lehren - über angestammte Disziplinen und
Ordnungen, tradiertes Wahrnehmen und Verhalten, vertraute Sichtweisen
und Denkmuster hinaus greifend.
So strebt das Zentrum für Kognitionswissenschaften im Graduiertenkolleg
nach den universellen Regeln von Sprache; dringt das Frankreich-Zentrum
in den Zusammenhang von weltweiter Frankophonie und Globalisierung vor,
und das Geistes- und Sozialwissenschaftliche Zentrum arbeitet an einer
Kulturgeschichte des Eigentums sowie einer Weltgeschichte der
Geschichtswissenschaft. Derweil nimmt das
Naturwissenschaftlich-Technische Zentrum - die älteste Projektgruppe
besteht seit 1973 - einen neuen Anlauf in der Grundlagenforschung.
Nachdem über ein Jahrzehnt die Richtung von der Quantenfeldtheorie
angegeben wurde, lassen sich die Physiker und Mathematiker nun bei der
Suche nach dem superschnellen Rechner von der Gravitationstheorie
inspirieren.
Mit dem Zentrum für Prävention und Rehabilitation (ZPR) haben
Mediziner, Sport- und Sozialwissenschaftler der Universität das fünfte
Teilzentrum aufgebaut. Ihr Forschungsfeld gründet auf dem
demografischen, medizinisch-technischen und sozialen Wandel, der die
Gesellschaft herausfordert. Über die Grenzen ihrer Institute und
Disziplinen hinweg fragen die beteiligten Wissenschaftler
beispielsweise, wie angesichts der steigenden Lebenserwartung sowohl
die rapide Zunahme von Krankheitsbildern wie Alzheimer als auch die
Verschiebung von Krankheitsbildern im Zuge des Älterwerdens zu
bewältigen sind. Gezielt richten sie ihr Augenmerk auf den Bedarf, die
Wirksamkeit, die Qualität sowie die Kosteneffektivität von vorbeugenden
und wiederherstellenden Aktivitäten im Gesundheitswesen. Gemeinsame
Forschungsprojekte dienen dabei gleichermaßen der Umsetzung wie der
Schaffung eines Graduiertenkollegs.
In jüngster Zeit hat das ZHS mit dem internationalen
Pomotionsstudiengang ''Transnationalisierung und Regionalisierung vom
18. Jahrhundert bis zur Gegenwart'' das Fundament für intensive Studien
und stabile Kooperationen geschaffen. Inzwischen reichen die
Überlegungen so weit, die Erkenntnisse in fächerübergreifende
Lehrangebote wie Master-Studiengänge zu Regionalisierung, Europastudien
und Global Studies zu ''übersetzen''. Und auch wenn innerhalb der
Universität der Kurs zur Reformierung des Systems der Studiengänge noch
nicht endgültig abgesteckt ist, der PHD-Studiengang mit seinen 44
Doktoranden aus 28 Ländern verdeutlicht das Potenzial, das in Knowhow,
Didaktik und Internationalisierung abgerufen werden kann. Immerhin
empfiehlt der Wissenschaftsrat für die Ausbildung deutscher Doktoranden
das, was in Leipzig schon seit fast zehn Jahren als ''Sonderweg''
praktiziert wird. Aus Sicht des ZHS liegt darin - vor allem für die
Universität selbst - die Chance, ihren Anspruch ''Aus Tradition Grenzen
überschreiten'' zu leben und ihren angestammten Ruf als
Reform-Universität aufs Neue zu bestätigen.
Daniela Weber
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