Proteine
spielen bekanntlich eine wichtige Rolle bei allen Vorgängen des Lebens.
Sie sind aber auch interessante Polymere, also Verbindungen aus
Riesenmolekülen. Wenn es gelingt, die biologischen, also lebendigen
Proteine mit ''toten'' Materialen zu verknüpfen, kann das zu völlig
neuartigen Materialien führen. Wissenschaftler der Universität Leipzig
forschen derzeit daran, wie diese bisher unbekannte Verknüpfung
praktisch gehandhabt und theoretisch erklärt werden kann. Ein
internationaler Workshop am Donnerstag widmete sich diesem Thema.
Vorstellbar ist das Einbringen von Biomolekülen zum Beispiel bei
opto-elektronischen Bauelementen wie sie in Computern verwendet werden.
Wenn diese im Gegensatz zur heute üblichen Halbleiter-Elektronik auch
aus Polymeren bestehen, ergäbe das einen Durchbruch bei der weiteren
Miniaturisierung der Bauelemente. Andererseits ermöglichen erst
Biomoleküle die Ausnutzung eines sehr mächtigen Wirkprinzips in der
Natur, nämlich der spontanen Selbstanordnung von Molekülen. Strukturen
eines gewünschten Bauelements können somit von selbst wachsen, ohne
dass sie zeitaufwendig von Menschenhand geschaffen werden müssten. Die
ersten Schritte bei der Verwirklichung solcher Visionen konnten an der
Universität Leipzig experimentell bereits umgesetzt werden: Ein
Beispiel bieten Peptide, also Eiweiße, die an der Regulation des
Zellstoffwechsels und der Interaktion zwischen Zellen beteiligt sind.
Einige von ihnen wollen von selbst nur auf einem ganz speziellen der
angebotenen Halbleiter haften, während sie sich in der Gegenwart
anderer Oberflächen zu großen Clustern ballen und eine Verknüpfung
verweigern. Jetzt gilt es, nach einer Beschreibung und theoretischen
Erklärung dieser Prozesse auf atomarer Ebene zu suchen.
Für beide der zu verknüpfenden Elemente ist an der Universität Leipzig
große Kompetenz vorhanden. So fungiert die Einrichtung als
Sprecher-Universität des Sonderforschungsbereichs 610 ''Proteinzustände
mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz'', in dem
Proteinzustände theoretisch vorhergesagt, aber auch praktisch
untersucht werden. Zudem können in Leipzig am Institut für Biochemie
Peptide speziell hergestellt und Proteine chemisch modifiziert und mit
Sonden versehen werden, die besonders für eine Anheftung an Materialien
geeignet sind. Auf der Seite der Physik sind vor allem theoretische
Physiker und Biophysiker aus der Arbeitsgruppe Halbleiterphysik und dem
Institut für Biochemie beteiligt. Im Bereich der computerorientierten
Quantenfeldtheorie wird die Haftung von Polymeren und Peptiden an
adsorbierenden Oberflächen untersucht.
Diese Arbeit findet auch international zunehmend Aufmerksamkeit.
Wissenschaftler der Universität Leipzig haben sich am 16. Juni 2005 im
Rahmen des Workshops ProtFold05 getroffen, der vom
Naturwissenschaftlich-Theoretischen Zentrum organisiert wurde, um mit
internationalen Gästen innovative Konzepte dieser Verknüpfung von neuen
Materialien und Proteinen zu diskutieren. So ging es unter anderem um
die Fragen: Wie stellt man chemisch modifizierte Proteine her, die an
andersartige Oberflächen binden können? Wie erlangen die Proteine
spezielle, gewünschte Eigenschaften? Oder wie kann man das Interagieren
von Oberflächen mit Proteinen beschreiben?
''Bei unserem Workshop wurde deutlich, dass an den Schnittstellen von
Wissenschaftsgebieten völlig Neues entstehen kann'', so Prof. Dr.
Annette G. Beck-Sickinger von der Fakultät für Biowissenschaften,
Pharmazie und Psychologie der Universität. Im Grenzgebiet von Proteinen
und Materialien, also dort wo die Weisheit der lebendigen Natur die
Grenzen der bisherigen Materialwissenschaft überschreitet, kann in
Leipzig noch viel erreicht werden.''
Beteiligt sind u.a. Prof. Wolfhard Janke, Theoretische Physik; Prof.
Hans-Jörg Hofmann, Biophysikalische Chemie; Prof. Marius Grundmann,
Halbleiterphysik und Prof. Annette Beck-Sickinger, Biochemie.
siehe auch: www.sfb610.de
Marlis Heinz
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